EdiMotion 11. – 14.10.2024

THEMENSCHWERPUNKT

Der Themenschwerpunkt von Edimotion 2023 transferiert die „Haltung hinter der Veranstaltung“ in den interaktiven Dialog mit unseren Besucher*innen und formuliert das Bedürfnis nach einer gemeinsamen Suche: Der Suche nach Teilhabe und danach, Teilhabe an unserer Veranstaltung zu ermöglichen und Teilhabe inhaltlich als Aspekt des gesellschaftlichen Miteinanders genau wie des Filme machens und montierens zu diskutieren.

Wie erzählt man dokumentarische Geschichten über Menschen, die marginalisierten Gruppen angehören? Wie kann man als Ally helfen, dass aus den Communities heraus Geschichten selbst erzählt werden und wie klappt die Kommunikation im Team angesichts kulturell und existenziell divergierender Erfahrungswelten? Wie können wir Berührungsängste, Vorurteile und Achtlosigkeiten abbauen, Perspektiven wechseln? Wie kann genau dieser Dialog die gemeinsame Arbeit bereichern, die Kommunikation respektvoller machen und breitere Teilhabe an filmischen Werken ermöglichen?

Der Themenschwerpunkt möchte nicht nur im Podiumsgespräch, sondern auch interaktiv dazu einladen, wenigstens momentweise „andere Schuhe“ anzuprobieren und so eigene blinde Flecken zu entdecken und zu reflektieren - ein erster Schritt um in der eigenen Arbeitswelt dann Teilhabe konstanter und kompetenter mitdenken zu können.

Edimotion versucht damit nach der realisierten Klimaneutralität und den vertiefenden Maßnahmen zu Diversitätsausbau und Barrierefreiheit „hinter den Kulissen“ auch auf inhaltlicher Ebene über Repräsentanz und Positioniertheit zu sprechen und eine weitere, zentrale Facette des letztjährigen Diskurses um „Macht und Montage“ zu beleuchten. Das möchten wir bewusst interaktiv tun: Der Themenschwerpunkt wird mit einer Veranstaltung im „World Café“-Format eröffnet, über eine klassische Paneldiskussion inhaltlich weiter entwickelt um schließlich wieder interaktiv zu enden - bei der sonntäglichen Abschlussrunde mischen sich Übungen zur gemeinsamen Erkundung struktureller Muster und individueller Biases mit dem fachlichen Diskurs anhand konkreter Filmbeispiele und einem Plenumsdialog zur Perspektiven von Teilhabe in der Zusammensetzung von (Post)produktionsteams ebenso wie im Gestalten künstlerischer Werke und Inhalte durch die Montage.

Der Themenschwerpunkt wird unterstützt vom Bundesverband Filmschnitt Editor e.V. (BFS).

Teilhabe - Dialog im Weltcafé-Format

​​​​​​Gäste: Andrea Eberl, Christian Höynck, Dr. Ezinne Ezepue, Marcel-Jana Urban

Im Zentrum des „Weltcafés“ zum Thema Teilhabe steht der Dialog: In Gesprächskreisen zu drei Schwerpunktthemen werden Informationen und Perspektiven ausgetauscht, unterschiedliche Facetten wahrgenommen, gemeinsam diskutiert, Netze von Verbindungen geknüpft und neue Ideen entwickelt.
So sollen - vorsichtig moderiert und dokumentiert von den in den Schwerpunktthemen versierten Gastgeber*innen der Runden - Berührungsängste abgebaut, Energien mobilisiert, Konfrontationslinien verflüssigt, Fragen gestellt und Erfahrungen und Fachwissen ausgetauscht werden.

Zu Verhältnis und Übersetzbarkeit von Bild, Montage und Ton in Audiodeskriptionen laden die blinde Filmbeschreiberin und Musikerin Andrea Eberl und der sehende Autor und Filmbeschreiber Christian Höynck als Expert*innen zum Gespräch ein.
Zum Thema „Der queere Schnitt?“ moderiert die Mediengestalter*in, Editor*in und Gründer*in des Studierendennetzwerks „queer@filmschule“ Marcel-Jana Urban den Dialog.
Der Fragestellung „Shifting Gaze: Adapting Folk Narrative for Decolonisation and Sustainable Development”widmet sich der Gesprächskreis mit Dr. Ezinne Ezepue, Expertin für afrikanisches Storytelling. Hier ist die Dialogsprache Englisch.

Nach jeweils ca. 20 Minuten gibt es die Möglichkeit, den Gesprächskreis zu wechseln, insgesamt dauert die Veranstaltung eine Stunde.

Samstag, 14. Oktober 2023 | 15:30 Uhr
Kino Foyer Filmhaus Köln

Moderation: Kyra Scheurer

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Outsider Artists, Outsider Protagonists?

Gäste: Kim Münster, Yulia Yanez Schmidt, Ivan Morales Jr.

In Deutschland leben ca. 13 Millionen Menschen mit einer Beeinträchtigung, darunter 7,8 Millionen Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung. Wie viele von ihnen Kunst machen, ist nicht erfasst. Der reguläre Kunstbetrieb aber drückt ihrem Schaffen in Ermangelung eines besseren Begriffs Stempel wie 'Art Brut' oder 'Outsider Art' auf - eine durchaus zwiespältige Terminologie. Denn einerseits sind verstärkte Sichtbarkeit und Repräsentanz in Deutschland, das erst jüngst wieder von der Uno wegen mangelhaften Fortschritten im Bereich Inklusion gerügt wurde, mehr als überfällig und die Begleitung von Protagonistinnen im Kampf um diese Sichtbarkeit ein legitimes Sujet im Dokumentarfilm. Andererseits gilt es besonders in der Montage, hier nicht vom (Künstlerinnen-)Porträt in den so häufig medial praktizierten „Schicksalsbericht“ zu gleiten, nicht die Einschränkung höher als den künstlerischen Ausdruck zu gewichten, nicht einen zugeschriebenen oder tatsächlichen Mangel zum Inhalt des Films zu machen, sondern den Menschen. Wie es gelingen kann, Ableismus und die Biases privilegierter, physisch gesunder Filmschaffender zu reflektieren und zu vermeiden, diskutieren Produzentin und Regisseurin Kim Münster, Protagonistin Yulia Yáñez Schmidt und Editor Ivan Morales Jr. anhand der Filme Spielen oder nicht spielen und Lost in Face.

Spielen oder nicht spielen (Kinostart 12. Oktober 2023) porträtiert zwei Schauspielerinnen mit Behinderung und die Herausforderungen, Hindernisse und Erfolge zu Beginn ihrer Karriere. Yulia spricht bei der ersten Schauspielausbildung für Menschen mit Behinderung am Schauspiel Wuppertal vor und wird - nach mehreren Absagen von herkömmlichen Schauspielschulen - nun genommen. Doch der reguläre Stadtheaterbetrieb ist auf weiß, nicht behindert und akzentfrei programmiert, auch wenn es – zumindest an den Rändern des Betriebs und Spielplans – andere Bestrebungen gibt. Alte Traditionen und Arbeitsbedingungen treffen auf den Anspruch, Schauspieler*innen mit Behinderung am Theater vertreten zu sehen und die damit verbundenen Erfordernisse. Die Montage zeichnet die Annäherung von Schauspieler*innen mit und ohne Behinderung nach und balanciert die unausgesprochenen Verhandlungen darüber aus, ob beide Gruppen gleichberechtigte Teile des Theaters und somit auch der Gesellschaft sein können. Wie sich Yulia Yáñez Schmidt in dem Dokumentarfilm von Kim Münster und ihrem Co-Regisseur Sebastian Bergfeld repräsentiert und gesehen fühlt und wie sehr ihre Sicht Teil des Montageprozesses sein konnte, ist Teil des Gesprächs.

Valentin Riedls Film Lost in Face (2021) porträtiert die gesichtsblinde Carlotta, die sich künstlerisch bewusst mit Selbstporträts ausdrückt. Im Gespräch mit dem Neurowissenschaftler und Filmemacher versucht sie zu erklären, wie das ist, wenn sie jemanden kennenlernt - und im nächsten Augenblick das Gesicht nicht mehr zuordnen kann. Und, wie sie Menschen und deren Haltungen ihr gegenüber doch unterscheiden kann, auch wenn sie Mimik nicht lesen und erinnern kann. Animierte Sequenzen versuchen, auch dem Publikum diese spezielle Wahrnehmungswelt zu vermitteln, die Montage von Ivan Morales Jr. wahrt die von der Protagonistin aktiv eingeforderte Distanz und ermöglicht doch Einfühlung und Nähe - eine Gratwanderung, die auch in der Zusammenarbeit von Filmemacher und Protagonistin immer neu zu verhandeln war.

Samstag, 14. Oktober 2023 | 16:30 Uhr
Filmhaus Köln

Moderation: Kyra Scheurer

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Blickwechsel - Vermeidung kolonialer Muster im Filme machen und montieren

Gäste: Sara Woldeslassie, Philipp Diettrich

Unbewusste Vorannahmen hat jede und jeder - in diesem Panel wird sowohl interaktiv als auch in der Podiumsdiskussion konkreter Montagebeispiele erkundet, inwieweit koloniale Muster unser aller Denken, Filmen, Montieren und Handeln prägen und wie man einen möglichst reflektierenden, dekonstruierenden und konstruktiven Umgang damit finden kann. Zu Beginn führt eine Gedankenreise des Büros für vielfältiges Erzählen das Publikum näher ins Feld der eigenen Biases, auch der Abschluss der letzten Veranstaltung des Themenschwerpunkts „Teilhabe“ diskutiert noch einmal im großen Plenumsdialog verschiedene Aspekte und Denkanstöße der Begegnungen der letzten Tage mit diesem vielschichtigen Thema.

Das Herzstück von „Blickwechsel“ aber bildet der Dialog von Sara Woldeslassie und Philipp Diettrich: Anhand des Films „African Mirror“, für dessen Montage Diettrich gemeinsam mit Mischa Hedinger 2020 für den Bild-Kunst Schnitt Preis Dokumentarfilm nominiert war, werden u.a. die Potenziale, Begrenzungen und Risiken dekolonialer Dekonstruktion unter Nutzung von Kolonialem Archivmaterial diskutiert. Ist es legitim, als weiße Männer diesem Archiv ein zweites Leben zu geben und fast ausschließlich mit weißen Originaltexten und O-Tönen aus der historisch abgebildeten Zeit zu arbeiten, oder müsste man versuchen, die abgebildeten Schwarzen Subjekte mehr als Individuen herauszuarbeiten, ihnen eine Stimme zu geben? Darf man das - denn wer erzählt hier über und für wen? Kann die Macht der Montage alleine mittels kritischem Mirroring koloniale Muster auch im heutigen Publikum oder vielleicht sogar den Filmemachern selbst entlarven und so zur beabsichtigten antirassistischen Intervention werden? Dem Schnitt kommt bei „African Mirror“ zweifelsohne eine noch größere implizite Kommentarfunktion zu als bei anderen Dokumentarfilmen - aber reicht das? Reproduziert man nicht allem besten Willen zum Trotz vouyeuristische und rassistische Perspektiven, macht sich den übergriffigen Blick des damals auch heute zu eigen? Und wie hat die Rezeption des Films, die Diskussionen mit einem weltweiten Publikum die eigene Sprechposition als weißer Mann und damit die Arbeit an zukünftigen Dokumentarfilmen verändert? Auch der in diesem Jahr beim IFF Rotterdam uraufgeführte und u.a. bei Dok München zu sehende hybride Essayfilm „La Empresa“, bei dem Diettrich für Buch und Kamera verantwortlich zeichnete, spielt - diesmal ohne historisches Archivmaterial, dafür mit einer gängige Zuschreibungen bewusst ironisierenden und umkehrenden voice over - mit kolonialen Mustern: Der als Erlebnisparcour Caminata Nocturna im mexikanischen El Alberto errichtete, zum „Medienliebling“ avancierte nachgestellte illegale Grenzübertritt in die USA wird von einem deutschen Filmteam irgendwie dokumentiert - was zu sehen ist, bestimmen scheinbar Ökonomie, mediale Übersättigung, Zufälle und Kompetenzmängel. Auch aus „La Empresa werden Woldeslassie Ausschnitte und Positionen diskutieren und anschaulich machen.

Abschließend schlägt der Plenumsdialog mit dem gesamten Publikum erneut die Brücke zur persönlichen Involviertheit von uns allen: Was gibt es für Vorerfahrungen im gemeinsamen Machen und Montieren von Filmen - wie können wir alle hier eigene Muster erkennen, Teilhabe ermöglichen und wie gewinnen Filme inhaltlich und Teams zwischenmenschlich durch diesen Prozess? Und was ist bei jeder und jedem individuell passiert an Begegnungen, Lernkurven, Widerständen und Erkenntnissen im Rahmen des diesjährigen Themenschwerpunkts?

Sonntag, 15. Oktober 2023 | 19:15 Uhr
Filmforum im Museum Ludwig

Moderation: Sara Woldeslassie

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